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Eröffnungsrede zur Ausstellung „Berlin um ’89 – Fotografien der Wendezeit“  von André Kirchner

Fotografien von Lothar M. Peter  am 8. November 2019 im Atelier Kirchner

Liebe Gäste, liebe Freundinnen und Freunde der Fotografie, lieber Lothar,

herzlich willkommen zu Lothar Peters Ausstellung „Berlin um ‘89“, schon die dritte seiner Ausstellungen in diesem Herbst, mit denen er sein umfangreiches Werk wieder in Erinnerung bringt.

Auch wenn mancher es schon nicht mehr hören mag: Wir erinnern heute insbesondere an die Nacht der Nächte in der jüngeren Geschichte Berlins – es gab auch andere -, die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989, bei der jede und jeder sich immer wieder gern vergewissert, wo und wie man diese Nacht verbracht hat, sobald die Nachricht von der Reisefreiheit über den Äther ging: das gilt „sofort, unverzüglich!“, lautete die Ansage, der erst niemand Glauben schenken wollte. So heißt denn auch die Ausstellung von Lothar M. Peter, die noch bis zum 17. November im Museum Lichtenberg zu sehen ist.

Ich selbst habe ich diese Nacht als Hilfsarbeiter in der Nachtexpedition des Tagesspiegel – damals noch an der Potsdamer Straße – am Band verbracht, bis die Nachricht die Runde machte, und die Rotation des Zeitungsdrucks angehalten wurde. Alles stand still, bis die erste Seite neu eingerichtet war: „Die Mauer ist offen“, war die neue Schlagzeile. Alle irgendwie entbehrlichen Arbeiter erhielten den Auftrag, sofort die ersten Pakete der druckfrischen Ausgabe auf Lieferwagen zu laden und an die Mauer zu fahren, um die Zeitung an die ersten Wagemutigen zu verteilen. Noch immer laufen mir Schauer über den Rücken, wenn ich an diese lange Nacht denke, in deren Verlauf sich die Nachrichten überschlugen und einander wildfremde Menschen in den Armen lagen.

Fotografiert habe ich nicht in dieser Nacht, aber die Bilder haben sich eingebrannt, und einige davon finde ich in dieser Ausstellung wieder, die in Schwarzweißfotografien um dieses Datum kreist. Lothar Michael Peter, geboren 1954 in Polen, aufgewachsen am Niederrhein, ist unter all den Fotografinnen und Fotografen, die hier bereits ausgestellt haben, der erste, der eine klassische Ausbildung zum Fotografen absolviert hat. Und zwar bei einem Industriefotografen in Duisburg Anfang der neunzehnhundertsiebziger Jahre, als dort die Schlote noch rauchten. Ich hätte ihm dabei gern mal über die Schulter geschaut….

Schon 1976 machte er sich als freier Fotograf in West-Berlin selbstständig mit den Schwerpunkten auf Architektur-, Porträt- und Street-Photography. Ein weites Spektrum, dem er in seiner Arbeit überzeugend Zusammenhalt verliehen hat. Ob es die Porträts ausländischer Familien in Berlin sind oder die stillen Bilder, die er von seinem Stipendium 1994 in Istanbul mitgebracht hat, stets gelingt ihm das Kunststück, seinen schwarzweißen Bildern eine fraglose Evidenz zu verleihen. Der perfekt gedruckte Istanbul Katalog ist hier in der Ausstellung für 10 € erhältlich.

Lothar war also der richtige Mann am richtigen Ort, der sich dann – nach anfänglichem Zögern – doch „sofort, unverzüglich“ mit seiner Kamera und Blitzlicht ins Getümmel stürzte und fotografierte, was das Zeug hielt. Die Ergebnisse sind hier und an zwei weiteren Orten gleichzeitig zu betrachten. Im schon erwähnten Museum Lichtenberg und – auch mal in Farbe – in der „MedienGalerie Ver.di“ im ehemaligen Buchdruckerhaus an der Dudenstraße, kurz vor dem Platz der Luftbrücke.

 

Nicht lange nach dem Mauerfall, vielleicht auch schon kurz davor, im Jahr 1989 zur Ausstellung „Stadtfotografie“ im Haus am Kleistpark, spätestens aber 1990 mit einem Werkvertrag der Kreuzberger „Neuen Gesellschaft für bildende Kunst“ (NGBK) in der Tasche haben sich unsere Wege gekreuzt, um sich dann nach einer gemeinsamen Ausstellung im Haus Bethanien „Fotografie für die Stadt“ im wiedereröffneten Groß-Berlin zu verlieren. Der Katalog liegt hier zur Ansicht aus.

Zuvor aber hatten wir uns mit Barbara Esch, Nelly Rau-Häring und anderen Fotografen für ein Europäisches Haus der Fotografie engagiert. Wenn wir damit auch scheiterten, so haben sich damals viele Fotografen aus Ost- und West-Berlin erstmals kennengelernt, und letztendlich geht auch die institutionelle Gründung des Museums für Fotografie am Bahnhof Zoo auf unsere Initiative zurück. Irgendwo existiert auch noch ein Gruppenbild von uns, das Nelly in ihrem Studio gemacht hat.

Barbara Esch Marowski leitet heute die Galerien des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Nelly RauHäring hat gestern eine Ausstellung in Kreuzberg eröffnet und wir beide treffen uns wieder in meinem Atelier, das ich seit 5 Jahren zum Projektraum für Fotografie ausgebaut habe.

Die Bilder dieser Ausstellung sind allesamt Vintage-Prints, also zur damaligen Zeit von Lothar selbst in der Dunkelkammer auf festgraduiertem Barytpapier abgezogen. Die Preise liegen je nach Format zwischen 600 € und 800 €. Bitte sprechen Sie uns bei Interesse an. Feiern wir heute Abend gemeinsam mit Lothar Michael Peter unter seinen Fotografien aus dieser Zeit und feiern wir hinein in den Tag des Mauerfalls, der morgen – vor 30 Jahren – das Leben in unserer Stadt vom Kopf auf die Füße stellte. Ich wünsche uns allen einen angenehmen Abend und bitte jetzt Lothar ums Wort, uns etwas zu seiner damaligen Aufnahmetechnik zu sagen, einer kleinen Mittelformatkamera namens „Franka“ mit aufgestecktem Blitzgerät.

 

Die Ausstellung ist bis zum 21. Dezember 2019 im Atelier André Kirchner, Grunewaldstraße 15, Berlin-Schöneberg zu sehen. Öffnungszeiten: Mi, Fr, Sa 16-18 Uhr; Do 18-20 Uhr – oder nach Vereinbarung.